Kinderbetreuung

Möglichkeiten und Konzepte

In vielerlei Hinsicht müssen Eltern die eigenen Interessen gegen die der Kinder abwägen. Zu den schwierigsten Entscheidungen gehört wohl diese: „Wann gehe ich wieder arbeiten und wo bleibt dann mein Kind?“ Wir haben uns einige Betreuungskonzepte angesehen.

Die Schlagzeilen sprechen vom „Gute-KiTa-Gesetz“, „Kita-Ausbau“, „Mehr Qualität in der frühen Bildung“, und auch die Bildwelt ist heiter: Ein junger Mann mit frecher Igelfrisur spielt, umringt von gut gelaunten kleinen Kindern, Gitarre und singt. Schließlich gibt es schon seit 2013 einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag! Die Realität sieht trotzdem oft anders aus. In vielen Städten sind Eltern mit Wartezeiten von über einem Jahr konfrontiert, wenn sie ihre Söhne und Töchter in Betreuung geben möchten. Das gilt erst recht für Kinder, die unter drei Jahre alt sind, und längst auch abseits der Metropolen: Bundesweit fehlen rund 273 000 Betreuungsplätze für Jungen und Mädchen im Krippenalter.

Das relativiert auch den Entscheidungsspielraum der Eltern erheblich. Oft plagt sie generell schon ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihre Kinder in fremde „Betreuungshände“ geben – was nicht nötig ist, da in der kindlichen Entwicklung der frühe Kontakt mit anderen Kindern besonders wichtig ist. Dann müssen sie außerdem abwägen, in welche Obhut sie ihre Kinder geben. Eigentlich wäre die Auswahl groß zwischen integrativen Kitas, mehrsprachigen Einrichtungen, konfessionellen Häusern oder besonderen pädagogischen Konzepten. In der Regel stechen aber pragmatische Entscheidungen die individuellen Präferenzen aus: So landet die Tochter zweier plastikfrei lebender Veganer in einer städtischen Kita, in der es von Kunststoffspielzeug wimmelt und schon zum Frühstück Wurst auf dem Tisch steht – vom Mittagessen ganz zu schweigen. Ein Problem? Die Mutter zuckt müde mit den Schultern: „Wenn das Kind sich wenigstens wohlfühlt, bin ich schon zufrieden.“ Bescheidenheit ist angesagt, denn die nächsten Eltern stehen schon auf der Warteliste.

Welche Optionen gibt es? Ein Blick auf verschiedene Betreuungsformen im Vergleich: öffentlicher und privater Kindergarten sowie Tagespflege.

Kindergarten

Kindergarten

Auch wenn es nach wie vor zu wenige Plätze gibt: Kindergärten sind die häufigste Betreuungsform in Deutschland. Bundesweit gibt es fast 57 000 Kitas, in denen 93 Prozent der Drei- bis Fünfjährigen versorgt werden. Zu ihren Vorteilen zählt die Verlässlichkeit: Schließungen wegen Krankheit kommen nur extrem selten vor. Außerdem sind die Elternbeiträge durch die öffentliche Bezuschussung niedriger als bei privaten Betreuungskonzepten. Als nachteilig empfinden Eltern oft die großen Gruppen von bis zu 20 Kindern und die unpersönliche Atmosphäre: In einigen Häusern dürfen Eltern mit Rücksicht auf die ihnen fremden Kinder ihre eigenen Söhne und Töchter nur an der Tür abgeben. Noch anonymer wirkt es, wenn die Einrichtungen weitläufig sind und viele Gruppen beherbergen. Auch die Qualität des Essens kann sehr wechselnd sein.

„Das können wir gar nicht leisten!“

Julia hat verschiedene Kitas kennengelernt und dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht. „Zuerst war mein Sohn Max in einer kirchlichen Kita mit vielen Kindern. Dort habe ich ihn wieder abgemeldet, weil ich fand, dass die Erzieherinnen keinen guten Überblick hatten.“ Eines Tages sei der kleine Max auf dem Außengelände der Einrichtung von einem größeren Jungen in einer Weise drangsaliert worden, die nicht mehr einem kindertypischen Streit entsprach: „Das waren richtige körperliche Aggressionen“, so Julia. Die Erzieherinnen hatten von dem Vorfall gar nichts mitbekommen. Was die Mutter aber noch mehr erschreckte: „Sie sagten: ‚Das können wir auch gar nicht leisten!‘ Das fand ich schlimm: dass sie sich anscheinend darauf ausruhten, dass es ohnehin zu viele Kinder waren, um jedem einzelnen gerecht zu werden, und dass sie es daher gar nicht versuchten.“

Max wechselte in einen kleinen privaten Kindergarten mit nur zwölf Kindern. Dessen Finanzierung übernahmen, organisiert in einem Verein, die jeweils involvierten Eltern. Das verlangte auch einiges an persönlichem Einsatz – zum Beispiel musste jede Familie zweimal im Monat das Mittagessen für alle zwölf Kinder mitbringen. Die Betreuung übernahm eine vom Verein angestellte Erzieherin, meist unterstützt durch eine weitere Betreuerin oder Praktikantin. „Sie wusste immer genau, wie jedes Kind dasteht. Wenn es einmal Konflikte gab, hat sie mit den ganzen kleinen Knirpsen eine richtige Besprechung abgehalten und geklärt, warum einer sich schlecht gefühlt hat. Dabei ging es nicht nur um Regeln, sondern um zwischenmenschliche Dinge, die man bei Kindern noch nicht voraussetzen kann.“ Zum Beispiel darum, dass ein Kind sich schlecht fühlt, wenn die eigene Mutter Essen mitgebracht hat und die Freunde sagen, dass es nicht schmeckt.

In der kleinen Kita beobachtete die Mutter, dass mit guter Vorbereitung auch komplizierte Unternehmungen möglich sind, wenn die Kinder gut angeleitet werden: „Als neue Becher gebraucht wurden, ging die Erzieherin alleine mit allen zwölf Kindern in ein Porzellangeschäft. Dort ging nichts kaputt! Sie hatte ihnen einfach vorher erklärt, worauf sie achten müssen.“ Durch ihre Erfahrungen mit unterschiedlichen Kitas würde Julia sich wünschen, dass der Beruf der Erzieher und Erzieherinnen mehr Anerkennung bekommt: „Das muss ein Beruf sein, in dem Leute gut ausgebildet werden – erst recht dann, wenn viele Kinder auf eine Betreuungsperson kommen! Wer im Kindergarten arbeitet, ist mit hohen psychologischen Anforderungen konfrontiert, hat eine große Bildungsverantwortung und muss deswegen viel besser bezahlt werden, als das bislang der Fall ist.“ Die Realität bildet das nicht immer ab: In städtischen Kitas sind oft zwei Erzieherinnen für zwanzig Kinder zuständig, und wenn eine der Kolleginnen krank wird, muss die andere die Gruppe allein bändigen.

Fröbel – oder: Warum eigentlich Kinderbetreuung?

„Spiel ist die höchste Form der Kindesentwicklung“, war eine der Überzeugungen von Friedrich Fröbel (1782–1852). Der Pädagoge entwickelte den Kindergarten. Betreut wurden Kinder arbeitender Eltern vorher zwar auch – aber vorrangig mit dem Ziel, sie vor Unfällen zu schützen. Da geht mehr, fand Fröbel: Er hatte erkannt, dass Kinder gerade durch das Spielen in ihren frühen Jahren viele Grundlagen für das ganze Leben entwickeln und erlernen, zum Beispiel Hilfsbereitschaft, Mut, Rücksichtnahme und Geschicklichkeit. Dafür wollte er ideale Bedingungen schaffen.

Kinder beim Inline skaten

Tagesmutter

Früher waren es meist Mütter kleiner Kinder, die zusätzlich zum eigenen Nachwuchs bei sich zu Hause noch andere Jungen und Mädchen betreuten: die Tagesmütter. Ihre Anzahl ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen: 2008 waren es laut Statistischem Bundesamt noch 36 400 in Deutschland. Heute zählt der Bundesverband für Kindertagespflege schon 44 722 Mitglieder. Für Eltern ist die Tagespflege eine Alternative, wenn kein Krippenplatz zur Verfügung steht. Manche ziehen sie aber auch bewusst der Krippe vor.

Nähe und Geborgenheit

„Als Tagesmutter darf ich maximal fünf Kinder gleichzeitig betreuen“, erklärt Gülseren, die seit 15 Jahren als Tagesmutter arbeitet. Sie arbeitet mit einer anderen Tagesmutter zusammen. Jede von ihnen darf bis zu fünf Kinder betreuen. Arbeiten sie zu zweit, kommen also bis zu zehn Kinder zusammen. „Das ist theoretisch der gleiche Betreuungsschlüssel wie in einer Krippe, aber die ist ja meistens Teil einer viel größeren Einrichtung“, so die Tagesmutter: „In manchen Häusern gibt es bis zu 160 Kinder.“ Das merken, trotz separater Gruppenräume, auch die Kleinsten – sei es morgens beim Bringen oder wenn sie sich gleichzeitig mit anderen Spielgruppen im Außengelände aufhalten. In der Tagespflege ist der Raum dagegen geschützter, erklärt Gülseren: „Immer wieder sagen Eltern: Bei euch sind die Kinder wie in einer Blase. Dieser Begriff beschreibt es gut. Es ist eine Atmosphäre der Geborgenheit und Nähe, die uns auszeichnet.“

Eine Schwachstelle hat das System allerdings: „Wenn ich mal krank bin oder Urlaub habe, gibt es keinen Ersatz. Meine Kollegin darf alleine nur die fünf Kinder versorgen, mit deren Eltern sie einen Vertrag hat. Die Eltern, deren Kinder bei mir sind, müssen dann eine andere Lösung suchen“, so Gülseren. In öffentlichen Kitas ist dagegen die vollständige Schließung wegen hohen Krankenstandes selten und einige Häuser arbeiten sogar durchgehend ohne Betriebsferien. Die kleine personelle Besetzung hat aber auch Vorteile: Es gibt keinen Frühoder Spätdienst, keine wechselnden Gesichter, etwa weil eine Betreuerin gerade fehlt oder in einer anderen Gruppe gebraucht wird. So entsteht eine enge Bindung, wie Stefan bestätigt, dessen Sohn Emil seit fast einem Jahr von Gülseren betreut wird: „Wir hätten zwischendurch sogar die Möglichkeit gehabt, in eine Krippe mit Anschlusskita zu wechseln. Aber wir haben uns dagegen entschieden: Emil ist so glücklich in der Tagespflege, dass wir ihn dort nicht herausholen wollten.“

Fakten-Check zur Tagespflege

  • Wer als Tagesmutter oder Tagesvater arbeitet, muss entweder eine pädagogische Ausbildung nachweisen können oder eine Grundqualifizierung absolvieren. Die genauen Vorgaben der Bundesländer variieren.
  • Kenntnisse in Erster Hilfe, Führungszeugnis, Gesundheitsnachweis, inhaltliche Qualifikation, geeignete Räume: Wer das vorweisen kann, darf beim Jugendamt eine Pflegeerlaubnis beantragen.
  • In der Regel ist die Betreuung in der Tagespflege für die Eltern teurer als die Unterbringung in Krippe oder Kita. Je nach individueller Situation und Bundesland variieren die Zahlen erheblich.

Gute Betreuung darf kein Luxus sein

Kinderbetreuung ist ein Herzensthema. Wer einen kleinen Menschen, den er liebt, in fremde Hände gibt, braucht viel Vertrauen und Mut. Kinder ihrerseits brauchen Abenteuer, den Kontakt zu Gleichaltrigen, mit denen sie loskrabbeln oder -tapsen können, um gemeinsam eine für sie neue Welt zu entdecken, und auch die Erfahrung, dass ihre Eltern nicht die Einzigen sind, bei denen es ihnen gut geht. In der Betreuung können sie alles das erleben. Wichtig sind gute Bedingungen, die den Bedürfnissen aller Beteiligten entsprechen: zum Beispiel kleine Gruppen, in denen Erzieher gut arbeiten können, in denen Eltern wissen, dass ihr Kind nicht untergeht, und Kinder sich leichter zurechtfinden. Umsonst ist das nicht zu haben, aber es darf auch kein Luxus sein: Damit alle Kinder die Chance auf einen guten Start ins gemeinsame Leben haben, muss an den Betreuungsstrukturen noch vieles verbessert und vereinheitlicht werden.

Spielende Kinder

Bildnachweis: Shutterstock

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