Wohnst du noch oder lebst du schon? Der bekannte Werbeslogan beschreibt ziemlich treffend, welchen Wandel das Wohnen erlebt. Denn alternative Wohnprojekte boomen – und wir verraten Ihnen, was sie so besonders macht.
Wussten Sie, dass wir Vize-Weltmeister im „Zur-Miete-Wohnen“ sind? Rund 54 Prozent der Deutschen leben in einer gemieteten Wohnung oder einem Haus, womit wir direkt hinter der Schweiz rangieren. Im Schnitt kommen auf jeden Deutschen 45 Quadratmeter Wohnfläche – die in einer Region so viel kosten können wie eine großzügige Drei-Zimmer-Wohnung in einer anderen. Deshalb liegen Wohnideen für kleine Räume im Trend. Wer es sich leisten kann, wohnt dort, wo es je nach Geschmack oder Lebensphase am besten passt. Zum Beispiel in der schicken Stadtwohnung oder im großzügigen Eigenheim außerhalb – doch das ist noch lange kein Glücksgarant.
Ob Stadt oder Land, Wohnung oder eigenes Haus, für alles gibt es Pros und Contras. Hinzu kommt eine wachsende Problematik, die Forschende, Presse und Privatleute gleichermaßen beschäftigt: Landflucht, knapper Wohnraum, überteuerte Quadratmeterpreise, Klimawandel. Hochpreisige Ballungsgebiete mit weitläufigen Büros statt bezahlbaren Wohnungen, leer stehende Häuser in vergreisten Dörfern, enge Reihenhäuser mit Stein-Vorgärten in überteuerten Vorstädten – vielerorts ist das keine düstere Zukunftsprognose, sondern Realität. Doch es gibt Hoffnung: Wir Wohnenden sind nicht machtlos – wenn wir uns zusammentun, können wir eine neue Richtung einschlagen. Denn was vielen Menschen in ihrer aktuellen Wohnsituation ohnehin fehlt, ist Gemeinschaft: Austausch mit Gleichgesinnten, gegenseitige Hilfe, echter Zusammenhalt statt Großstadt-Anonymität. Familien wünschen sich oft mehr Anschluss, Kontakt und Unterstützung im Alltag zwischen Kinderbetreuung, Job, Haushalt und Freizeit. Ebenso suchen Ältere, Singles oder Paare eine Alternative zum Alleine-Wohnen, die mehr Entfaltungsmöglichkeiten für alle bietet. Nachhaltiger leben, weniger einsam sein, keinen überflüssig leer stehenden Wohnraum verschenken, Anschluss finden, Gemeinschaft erleben – Beweggründe für den Wunsch nach alternativen Wohnkonzepten gibt es viele. Wie so etwas konkret aussehen kann, zeigen inzwischen Hunderte Beispiele in ganz Deutschland. Von Tiny Houses oder ökologischen Selbstversorgern über die 55plus-WG bis zum Cohousing mit Alt und Jung – die Möglichkeiten sind so bunt und vielfältig wie die Bewohner selbst. Wir haben zwei von ihnen kennengelernt und um ihr persönliches Fazit gebeten. So viel sei verraten: Einige Antworten haben uns so überrascht und inspiriert, dass wir schon selbst von einem Wohnprojekt im Grünen geträumt haben, wo es sich gemeinsam leben, wohnen und arbeiten lässt … Träumen Sie mit?
Teilweise klingt es zu schön, um wahr zu sein: Vor dem Bürotag mit dem Nachbarn Kaffee trinken und sich über das gemeinsame Projekt austauschen, während die Kids aus den angrenzenden Wohnungen über die Wiese rennen, sich zeitgleich ein paar Menschen im Seminarhaus versammeln und hinter dem Haus drei Freiwillige am Gartenhäuschen werkeln … Damit das gelingen kann, braucht es eine funktionierende Gemeinschaft, in der jeder seinen Teil beiträgt.
Wichtig ist, dass man sich selbst mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen auseinandersetzt. Denn was für die einen abschreckend wirkt, finden andere genial: zum Beispiel die Vorstellung von einer großen Wohngemeinschaft, in der zusammen gekocht, gelebt und gewirtschaftet wird. Alternatives Wohnen kann aber ebenso bedeuten, als Eigentümergemeinschaft ein modernes Mehrfamilienhaus zu beziehen – mit eigenen Wohnungen, Gemeinschaftsräumlichkeiten und gegenseitiger Unterstützung bei gleichzeitiger Wahrung von persönlichen Rückzugsorten.
Am besten online: www.wohnprojekte-portal.de, www.bring-together.de
Wie, wo und mit wem man will
Unterschiedlichste alternative Wohnformen gibt es immer mehr. Zum Glück! So findet jeder Topf den passenden Deckel. Wir zeigen Ihnen, welche Konzepte besonders beliebt sind.
Eine Stunde Hilfe für einen Quadratmeter Wohnraum ist das Konzept hinter „Wohnen für Hilfe“. Die Idee: Alleinstehende Senioren bieten jungen Leuten eine Unterkunft in ihrem Eigenheim. Doch nicht für Geld, sondern gegen Hilfe im Haushalt sowie im Alltag. Nur die Nebenkosten müssen beglichen werden. Neben einfachen Hilfsarbeiten wie Einkaufen, Kochen, Putzen, Gartenarbeiten oder der Betreuung von Haustieren spielt die Gesellschaft eine wichtige Rolle. „Wohnen für Hilfe“ existiert mittlerweile in mehr als 30 Städten Deutschlands. Sind auch Sie auf der Suche nach dem passenden Wohnpartner? Dann schauen Sie unter www.wohnenfuerhilfe.info
Von kleinen Wohngemeinschaften über Haus- und Hofgemeinschaften bis hin zu großen Quartiersprojekten – in den letzten Jahren sind in Deutschland unterschiedliche inklusive Wohnformen entstanden. Was sie eint: Hier leben Menschen mit und ohne Behinderung selbstbestimmt zusammen unter einem Dach und stellen sich gemeinsam den kleinen und großen Herausforderungen des Alltags. Orte zum Wohlfühlen schaffen, sich individuell unterstützen und in aktiver Gemeinschaft mit anderen leben – darum geht’s! Mehr zu dem Thema finden Sie bei WOHN:SINN, einem Bündnis für inklusives Wohnen und zugleich Plattform zur Vermittlung inklusiver Wohngemeinschaften. www.wohnsinn.org
Individuell und minimalistisch zugleich, so lebt es sich auf kleinstem Raum im sogenannten Tiny House. Ihren Ursprung hat die Bewegung in den USA, wo sie sich an Menschen mit geringem Einkommen wendet und zugleich an deren Umweltbewusstsein appelliert. Auch hierzulande steigt das Interesse am Leben im Mini-Haus. Dabei geht es nicht nur um das Wohnen in kleinen Häusern, sondern auch um ein gemeinschaftliches Miteinander unter Gleichgesinnten. Die erste Tiny-House-Siedlung Deutschlands wurde 2017 gegründet. Sie umfasst eine Grünfläche von 17000 Quadratmetern und zählt inzwischen 23 Häuser mit 28 Bewohnern. Ein Dutzend Stellplätze stehen noch frei. Mehr dazu unter www.dasvillage.de
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