Instagram als Ort der Verantwortung und des Aktivismus – geht das überhaupt? Sinnfluencer sagen nicht nur ja, sondern wollen auch zeigen wie. Wir haben uns die Influencer mit Sinn mal genauer angeschaut und verraten, was wirklich dahintersteckt.
Machen wir uns nichts vor: Die meisten von uns verbringen einen gar nicht so unwesentlichen Teil ihrer Zeit auf Instagram. Neben Beiträgen von Freunden und Bekannten verfolgen wir Menschen, die uns zeigen, wie sie leben und vor allem was sie sich kaufen, um ihr Leben ein wenig einfacher, besser, schöner zu machen. Die Rede ist von Influencern. Schon seit ein paar Jahren beobachten Social-Media-Experten, dass Nachhaltigkeit in Bezug auf Umwelt, Ernährung und Mode eine immer wichtigere Rolle spielt. Und das nicht nur in unserem realen, sondern auch im virtuellen Leben.
Das Problem? Übermäßiger Konsum und Dauerwerbung inklusive Rabattcodes, die viele Influencer zu dem machen, was sie sind, gehen damit nicht unbedingt einher. Nutzer sind zunehmend genervt von den vielen Kaufangeboten, wünschen sich mehr Nachhaltigkeit und Realität auf ihren Bildschirmen. Und genau das passiert: Es entwickelt sich eine neue, grünere Art der Beeinflussung in den sozialen Medien. Ins Rollen gebracht wurde dieses gesellschaftliche Umdenken auch durch die Fridays-for-Future-Bewegung. Während die Elterngeneration oft glaubt, ihre Teenager-Kinder interessieren sich nur für Instagram, TikTok und Co., ist es gerade die Generation junger Menschen, die nicht nur anfangen anders zu denken, sondern auch anders zu handeln und das auf ihren Kanälen zu teilen. Daraus entstanden sind Sinnfluencer. Auf ihren Instagramkanälen und Blogs findet man Themen wie Nachhaltigkeit, Feminismus, Veganismus, plastikfreies Leben, Gleichberechtigung und vor allem: Kritik am Massenkonsum und blinder Akzeptanz.
Sinnfluencer haben es sich also zur Aufgabe gemacht, ihren Followern bewussten Konsum vorzuleben und weiterzuempfehlen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Produktwerbung machen, für die sie von Unternehmen bezahlt werden. Schließlich sind Kooperationen mit Unternehmen nicht prinzipiell schlecht und auch die Erstellung von Social-Media-Beiträgen mit sinnvollen und nachhaltigen Produkten will bezahlt werden. Denn auch diese ist sehr zeitintensiv. Oberste Regel ist, dass bewusst konsumiert wird und hauptsächlich sinnvolle Produkte gekauft werden. Schließlich geht es darum, sich wieder ein wenig Zeit zu nehmen für das Produkt, das man anschaffen will und für dessen Betrag man wiederum wertvolle (Lebens-)Zeit durch Arbeitszeit investiert hat. Eigentlich also eine Win-win-Situation.
Doch wer genau sind nun diese Sinnfluencer und wie sind sie eigentlich zu solchen geworden? Wir stellen Ihnen drei Instagramkanäle vor, bei denen Folgen wirklich Sinn ergibt:
@Marie Nasemann ist eine der wohl bekanntesten deutschen Sinnfluencerinnen und das, obwohl sie eigentlich aus der Gegenpartei kommt – oder gerade deswegen? 2009 nahm sie an der Castingshow „Germany’s next Topmodel“ teil, machte dort den dritten Platz und warb folglich als Model für Mode. Welche Auswirkungen ihre Branche auf das Leben von vielen Menschen hat, wurde ihr 2013 bewusst, als in Bangladesch die Textilfabrik Rana Plaza einstürzte und über 1000 Menschen das Leben kostete. Seitdem kämpft sie gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und setzt sich für fair produzierte Mode ein. Doch Marie Nasemanns Instagramkanal begrenzt sich nicht allein auf nachhaltige Mode. Auch die Auseinandersetzung mit politischen Themen, Feminismus und Diskriminierung ist ihr wichtig. Dabei geht es weniger darum, dass das Model auf alles die richtige Antwort hat, sondern gemeinsam mit ihrer Community Lösungen und Wege für eine bessere, nachhaltigere und gerechtere Zukunft findet.
Übrigens: Die Marken, die Marie Nasemann auf ihrem Blog Fairknallt vorstellt, werden nicht von ihr alleine auf Nachhaltigkeit geprüft. Die Recherchearbeit in die oft komplexen Unternehmensstrukturen übernimmt Umweltwissenschaftler Norian Schneider. So hat sich schon so manche recycelte Sonderkollektion großer Marken als reine Werbekampagne entpuppt, weshalb sie auch nicht auf Fairknallt weiterempfohlen wurde.
Marie Nasemann zeigt, dass bewusstes Handeln ein Prozess ist, der nicht von heute auf morgen passieren muss. Und dass auch eine Instagram-Community gemeinsam viel verändern kann.
Marie’s Blog: Fairknallt.de
@Laura Mitulla hatte schon eine Vergangenheit als Minimalistin, bevor sie 2017 das Blogazin The OGNC gründete, das sich mit Nachhaltigkeit und Minimalismus beschäftigt. Als Kind ist sie auf einem Binnenschiff groß geworden. Dort war nicht viel Platz für ihr Hab und Gut und so lebte sie ganz automatisch minimalistischer als andere. Nach dem Verkauf des Schiffes wohnte sie in einem normalen Haus und ging zu einem eher materiellen Lebensstil über – als klassische Modebloggerin. Nachdem sie sich gedanklich nach und nach wieder vom Konsum und der Selbstdarstellung über soziale Medien verabschiedete, legte sich 2016 plötzlich ein Schalter um: Sie begann sofort auszumisten und wollte beweisen, dass ein minimalistisches und nachhaltiges Leben glücklicher macht. Daraus entstand auch ihr Blog. Die wichtigste Regel, die sie ihren Followern ans Herz legt, ist erst einmal das zu verwenden, was man eh schon zu Hause hat. Und auch wenn man den benötigten Gegenstand nicht besitzt, kann man leihen, tauschen oder eben Second Hand kaufen. Erst wenn all das nicht möglich ist, kommt der Neukauf – dann natürlich ein faires und ökologisches Produkt.
Weniger ist mehr und vieles kann man sich auch von anderen leihen. Das beweist Laura Mitulla auf ihrem Instagramkanal und ihrem Blog.
Laura’s Blog: the-ognc.com
Auf dem Instagramkanal @Glanz & Natur sprechen Svenja, El, Paula und Joelle über nachhaltige Beautythemen, Ernährung, Gesundheit und Fitness für Körper und Geist. Doch das wohl Interessanteste auf ihrem Kanal: Die vier sprechen regelmäßig Tabuthemen an, die eigentlich keine sein sollten. Von Perioden-Beschwerden über Verlustängste bis hin zu angeblichen Schönheitsmakeln zeigen sie, dass das Leben aus wesentlich mehr besteht als Kaufen und Besitzen. Und dass man sich mit seinen Problemen und Ängsten nicht alleine fühlen muss, denn es gibt andere, die vielleicht genauso fühlen oder gar helfen können. Eine Community also, die verständnisvoll und hilfsbereit ist – macht Sinn.
Glanz & Natur zeigt uns Woche für Woche, wie wunderbar unperfekt wir alle sind und dass wir mit unseren Problemen und Ängsten nicht alleine sind. Denn: Hinter jedem Social-Media-Kanal steht auch nur ein ganz normaler Mensch.
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