So gesund ist Gehen
10.000 Schritte am Tag zurückzulegen hört sich ganz schön viel an. Ist es auch! Doch es ist noch viel mehr als einfach nur Gehen. Unsere Redakteurin hat den Selbstversuch gewagt und einige interessante Dinge gelernt.
Ich wohne ungefähr drei Kilometer von meiner Arbeitsstätte entfernt. Gar nicht so weit also, verglichen mit allen Arbeitnehmern, die ihren Morgen und Abend in Staus oder überfüllten Zügen verbringen. Und trotzdem fahre ich meist Straßenbahn. Selten schwinge ich mich morgens auf mein Fahrrad und schon erst recht nicht laufe ich die rund 5.000 Schritte zur Arbeit. Dabei würde die zusätzliche Bewegung zwischen Bürostuhl und Sofa auch mal guttun, denn: Wer im Büro arbeitet, legt täglich nur ca. 1.500 bis 3.000 Schritte zurück. Also weit weniger als das von einigen Experten empfohlene Tagessoll von 10.000 Schritten und noch viel weiter von dem entfernt, wofür unsere Gene ausgelegt sind. Als Jäger und Sammler der Steinzeit legten wir täglich bis zu 40 Kilometer zurück – das ist (fast) ein Marathon. Ich hingegen sitze auf dem Weg nach Hause in der Bahn und frage mich, warum die Trasse nicht direkt vor meiner Wohnung verläuft, damit ich mir die 230 Meter Fußweg sparen kann. Aber jammern gilt nicht, ich wage nun den Selbstversuch: Um zu testen, ob mindestens sechs Kilometer Fußmarsch am Tag umsetzbar sind, mache ich zehn Tage lang täglich 10.000 Schritte, bei Wind und Wetter. Meine kleinen Entdeckungsreisen offenbaren mir so einiges – genauer gesagt zehn Dinge:
1.) Schon am ersten Tag merke ich, dass ich 10.000 Schritte ganz schön unterschätzt habe. Und ich beginne zurückgelegte Wege richtig wertzuschätzen.
2.) Ein altes Paar sitzt händchenhaltend auf einer Parkbank. Schulkinder bauen in der Pause Schneemänner. Das Handy einmal weggepackt, habe ich meine Umgebung erst richtig wahrnehmen können und ganz viele kleine und doch so besondere Alltagsmomente miterleben dürfen.
3.) Ich spare bares Geld. Im Grunde sind die günstigsten Fortbewegungsmittel nun mal unsere Beine. Das Geld für das Bahnticket investiere ich liebe in den Kaffee vom Bäcker.
4.) Der Schrittzähler meines Handys weckt meinen Ehrgeiz. Je höher die Schrittzahl am einen Tag, desto höher das Ziel für den nächsten.
5.) Ich werde kreativer. Beim Flanieren kommen mir die besten Ideen und ich habe Zeit, mich gedanklich ein wenig zu organisieren.
6.) Die körperliche Mehr-Belastung ist zwar schnell spürbar, aber nicht unangenehm. Im Gegenteil: Ich weiß, was ich getan habe, und fühle mich gut.
7.) Meine Ausdauer hat sich verbessert. Obwohl ich mich am ehesten als Flaneurin statt Rennhase bezeichnen würde, fällt mir bei meinem gewohnten Gang auf, dass ich noch eine Schippe drauflegen kann.
8.) Auch vor dem Wochenende macht mein Bewegungsdrang keinen Halt. Samstags sind es die üblichen 10.000 Schritte und statt sonntags zu faulenzen, wandere ich mit einer Freundin. Die Belohnung: frische Luft, Natur, Bewegung, gute Unterhaltungen und 21.600 Schritte.
9.) Egal wie stressig der Tag war, die gleichmäßige Bewegung entspannt und bringt mich – besonders auf dem Heimweg – auf andere Gedanken. Ein richtiger Stimmungsaufheller also.
10.) Am Ende fällt mir eines besonders auf: Ich habe mehr Me-Time. Denn auf meiner täglichen Wanderschaft bin ich ganz allein mit mir und meinen Gedanken.
Treppen statt Aufzug, weit weg parken oder eine Busstation früher aussteigen. Das sind nur Kleinigkeiten, doch sie bringen einige Schritte mehr aufs Konto.
Schließlich können wir Podcasts, Hörbücher und Musik in Hülle und Fülle über Spotify und Co. streamen. Oder mit Familie und Freunden telefonieren: Gehen und Quatschen sind eine unterhaltsame Kombination.
einfach, wenn wir den Start der neuen Alltagsroutine in die Ferien verlegen. Da findet sich doch bestimmt Zeit!
Statt zum Kaffeetrinken oder Essen zum gemeinsamen Spaziergang treffen: schließlich wollen wir ja den Schritt-Tacho voll bekommen.
Die Schritte können wir einfach über den Tag verteilen. Gesundheitswissenschaftler empfehlen ohnehin, alle 90 Minuten eine Pause von der Arbeit zu machen. Ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft kurbelt Konzentration und Kreativität an.
Die gleichmäßige und dennoch ausdauernde Bewegung kann sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken, beruhigt das Gemüt und hilft, sowohl Stress als auch Depressionen zu mildern. Außerdem härten Wind und Wetter ab und können das Immunsystem stärken.
Nicht zu viel nachdenken, einfach loslaufen! Wasserdichte Schuhe, warme Kleidung, mehr braucht es nicht. Dann können wir auch bei Regen oder Schnee Schritte machen.
Warum eigentlich gerade 10.000 Schritte – nur, weil es eine runde Zahl ist oder gibt es einen wissenschaftlichen Hintergrund? Tatsächlich beruht die Zahl auf einer Marketingkampagne. Die japanische Firma Yamasa nutzte 1964 den Hype um die Olympischen Spiele im Heimatland und brachte den ersten transportablen Schrittzähler Manpo-kei auf den Markt. Der Name des Zählwerks bedeutet übersetzt: Der 10.000-Schritte-Zähler. Yamasa warb damals damit, dass diese Anzahl gesund und Ausdruck eines vitalen Lebensstils sei. Wissenschaftliche Studien dazu legten sie jedoch nicht vor. Über eine genau Schrittzahl-Empfehlung ist man sich in der Wissenschaft uneinig: Einige Studien geben ca. 7.500 Schritte, andere gar 15.000 bis 18.000 pro Tag an. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt ca. 30 min Bewegung am Tag. Nichtsdestotrotz bleibt die 10.000 eine gut zu merkende, runde Zahl, die definitiv den Ehrgeiz weckt und mit etwas Umgewöhnung in den Alltag integrierbar ist. Schaden kann es definitiv nicht.
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