Warum immer mehr Mütter überlastet sind
Fühlen Sie sich auch manchmal einfach nur überfordert? Im Familienleben gibt es dermaßen viele Termine und To-dos zu berücksichtigen, dass die Menge der Aufgaben zur erdrückenden Last werden kann – vor allem für Mütter, die sich zwischen Care-Arbeit und Erwerbsarbeit regelrecht aufreiben. Warum ist das so und wie lässt sich der Mental Load eindämmen?
Manchmal tauchen ganz plötzlich neue Begriffe für bekannte, aber bisher unbenannte Phänomene auf. Der Mental Load gehört definitiv dazu: Er beschreibt die endlose und bisweilen willkürliche Sammlung an To-dos, die zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Köpfen von Familienmanagern – oder sagen wir besser: von Müttern – aufploppen. Wer weiß garantiert, in welcher Kiste sich das gelbe Rennauto gerade befindet, was der aktuelle Lieblingspulli ist und was für den Geburtstag im Kindergarten mitgebracht wird? Klar, die Mama. Aber die ist nicht Superwoman, sondern auch nur ein Mensch, dem manchmal einfach alles zu viel wird, weil es schlicht und ergreifend zu viel ist. Denn Emanzipation und Gleichberechtigung hin oder her: Noch immer sind es hauptsächlich die Mütter, die von der Schuhgröße des jüngsten Kindes bis zum Termin fürs Elterngespräch alles im Kopf haben.
Für Männer und Außenstehende oft unverständlich, wirkt selbst die teilzeitarbeitende Mutter oft grundlos gestresst und angespannt, obwohl sie doch mittags wieder zu Hause ist und den Nachmittag spielend mit den Kids verbringt. Dass sie dabei dutzende To-dos gedanklich durchgeht, bleibt ungesehen. Das Dilemma von überlasteten Müttern wie uns: Während wir auf dem Spielplatz am Klettergerüst stehen, können wir weder geistig voll anwesend sein, noch können wir etwas von der langen To-do-Liste erledigen. Das wird zum Teufelskreis, denn während alle möglichen Gedanken im Kopf umherschwirren und in den unmöglichsten Momenten aufploppen, macht sich sogleich ein bekanntes Gefühl des Unbehagens breit, weil wir gefühlt nichts und niemandem gerecht werden können. Das schlechte Gewissen, so scheint es, gibt es für Mütter bei der Geburt eben gratis dazu. Denn ein ständiger Begleiter ist das gesellschaftliche Über-Ich, das sich in Moralvorstellungen des Umfelds, in der Werbung, im Arbeitsleben und auch als eigene innere Stimme zeigt und sich zum schlechten Gewissen allem und jedem gegenüber verfestigt. Der Chef runzelt schon die Stirn, wenn der Mann die zwei „Vätermonate“ Elternzeit für die Kita-Eingewöhnung beantragt, Bekannte fragen halb staunend, halb entrüstet, wer denn auf die Kinder aufpasse, wenn die Mutter auf Dienstreise oder mit Freunden unterwegs ist.
Während Frauen sich früher – zumindest in Westdeutschland – um Haushalt, Essen und Familienalltag kümmerten, gingen die Männer arbeiten, nahmen die Versorgerrolle ein und kümmerten sich um das Handwerkliche. Die Aufgabenverteilung war klar. Doch früher war nicht alles besser: Wir sollten nicht vergessen, dass psychische Belastungen nicht erst seit gestern existieren. Nur sprach man eben nicht darüber und es gab in den meisten Fällen keine anderen Optionen.
Warum Mütter heute so überlastet sind, ist ihnen oft nicht einmal selbst klar. Das „Kümmerer-Gen“ ist so fest in unseren Köpfen verankert, dass wir es gar nicht infrage stellen. Wir wollen gern alles selbst machen und gehen automatisch davon aus, dass wir es auch müssen, weil wir es nicht anders gelernt haben. Getreu dem Motto: Eine gute Mutter beklagt sich nicht, schließlich hat sie doch immer eine Familie gewollt. Und andere schaffen es doch auch mit links! Dass das ein Trugschluss ist, erfahren Frauen nur hinter vorgehaltener Hand von befreundeten Müttern. Öffentlich redet man lieber nicht über den ganz normalen Alltagswahnsinn, der noch vor dem eigentlichen Arbeitstag mit Wutanfällen im sandigen Eingangsbereich seinen ersten Höhepunkt erreicht – und schon gar nicht redet Frau darüber, wie es ihr zwischen Meetings und Playdates, mit Wäschebergen im Flur und der immer noch unerledigten To-do-Liste im Kopf wirklich geht. Dass das Gefühl der Überlastung manchmal so erdrückend wird, dass wir uns selbst völlig vergessen, den Partner heimlich verfluchen und die Kinder viel zu oft anmeckern. So belastet der Mental Load in erster Linie Mütter, hat aber Auswirkungen auf die ganze Familie.
Wie herausfordernd und anstrengend es sein kann, Beruf, Familie und Freizeit unter einen Hut zu kriegen, erlebt man erst, wenn man plötzlich mittendrin steckt. Und die Tragweite wird oft erst deutlich, wenn die Strukturen schon so festgefahren sind, dass gefühlt kein Entrinnen mehr möglich ist. Sind wir einfach selbst schuld, wenn wir es nicht besser hinkriegen? Müssen wir uns einfach besser organisieren? Nein, so einfach ist es nicht. Statt um Hilfe zu bitten oder gar Entlastung einzufordern, suchen viele Frauen die Schuld bei sich und versuchen sich in Selbstoptimierung. Doch was schlichtweg zu viel für eine Person ist, wird durch eine verbesserte Organisation nicht weniger.
Während viele Mütter sich durch das ständige An-alles-denken-müssen überlastet fühlen und über zu wenig Unterstützung klagen, fehlt den Vätern oft das Verständnis für das Ausmaß der „Denk-Belastung“. Selbst wenn einige der Aufgaben delegiert werden, die Mutter fühlt sich meistens als Hauptverantwortliche und der Partner verlässt sich darauf, dass ihm die Aufgaben zu gegebener Zeit zugeteilt werden, statt die To-Do Liste selbst zu entwickeln und zu übernehmen. Die Lösung des Mental-Load-Problems kann also nur sein: Aufgaben klar verteilen, die Verantwortung dafür abgeben, den eigenen Perfektionismus in den Griff bekommen und sich selbst wieder mehr Raum zuzugestehen. Angebracht ist ein ehrlicher Realitätscheck: Was stört mich, was belastet mich und was könnte mich entlasten? Wer kann was übernehmen? Das impliziert, sich auf gewisse Dinge zu einigen, aber abweichende Lösungswege auch zu akzeptieren und beispielsweise nicht mitzumischen, wenn der Partner andere Kinderklamotten kauft, sich um aussortiertes Spielzeug kümmert oder etwas fürs Schulfest backt. Es bedeutet auch, eventuellen Gegenwind von außen auszuhalten.
Wir sollten lernen, dass gute Mütter und gute Väter sich dadurch auszeichnen, dass sie das Beste für sich und ihre Familie tun – und nicht dadurch, dass sie nach außen das Über-Ideal einer Bilderbuchfamilie darstellen, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Eine Familie zu haben ist kein Spaziergang, schon gar kein entspannter. Es gibt sie natürlich, die glücklichen Momente, in denen ein Lächeln mit kleinen weißen Zähnchen das eigene Herz erwärmt und allen Stress vergessen lässt. Und dennoch warten in der nächsten Minute wieder dutzende Aufgaben darauf, abgearbeitet zu werden. Sowohl gefühlt als auch real heißt Familie haben eben auch: 24/7 Verantwortung, Organisation und immer was zu tun. Sich mal ohne schlechtes Gewissen um nichts kümmern zu müssen und keine Verantwortung für jemanden außer für sich selbst zu tragen, kann völlig unterschätzte Gefühle von Freiheit und Zufriedenheit in Eltern auslösen. Es ist deshalb nicht nur wichtig, Hausaufgabenbegleitung und Putzpläne untereinander aufzuteilen, sondern auch für sich selbst zu sorgen. Denn wenn Männer und Frauen ihre eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und sich um diese kümmern, sind sie nicht nur die besseren Partnerinnen und Partner, Mütter und Väter – sondern auch die glücklicheren Menschen.
Soforthilfe bei Chaos im Kopf: Schnappen Sie sich Zettel und Stift und machen Sie einen „brain dump“ – alle Aufgaben, die Ihnen einfallen aufschreiben, bis ihnen nichts mehr in den Sinn kommt. Das befreit den Geist!
1. Sprechen Sie in Ruhe mit Ihrem Partner, trinken Sie vielleicht ein Glas Wein zusammen und legen Sie Zettel und Stift bereit.
2. Notieren Sie alle Aufgaben, die zu Hause regelmäßig anfallen – vom Badputz über das Wäschewaschen bis zum Größencheck der Kinderkleidung. Hinzu kommen anlassbezogene To-dos wie Kindergeburtstage, Reifenwechsel, Schulfeste oder die Steuererklärung.
3. Verteilen Sie die Aufgaben zunächst nach Präferenzen: Wem macht der Großeinkauf am wenigsten aus? Wer mag lieber öfter Wäsche waschen statt Bad putzen? Im Anschluss werden die restlichen Aufgaben untereinander aufgeteilt.
„Irgendwann wird die Deko-Farbe der Kindergeburtstagstorte gefühlt so wichtig wie der Unterwäsche-Mangel der Söhne und wir verlieren uns in Unwichtigkeiten und dem Drang nach äußerer Ordnung, obwohl wir uns nur eines wünschen: das innere Chaos zu beseitigen.“ Laura Fröhlich, www.heuteistmusik.de
Das Mental-Load-Phänomen ist Dauerbrenner in sozialen Netzwerken und hat es auch in die Buchhandlungen geschafft. Autorin und Bloggerin Laura Fröhlich gilt als Expertin, wenn es um mentale Überlastung geht und postet darüber auch regelmäßig bei Instagram. Als dreifache Mutter und Selbständige kann sie ein Lied von der Überlastung singen. Ihre Message: Jede Mutter kann der Mental-Load-Falle entkommen – indem sie mit ihrem Partner neue Lösungen überlegt und den Anspruch loslässt, eine übernatürliche Super-Mutter sein zu wollen.
„Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles! Was Eltern gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen“ von Laura Fröhlich. Im GLOBUS Buchshop erhältlich.
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