Wie wir in Beziehungen langfristig glücklich bleiben
Gibt es sie noch, die große Liebe? Natürlich, sagen Romantiker. Jein, sagt die Statistik: Eine Ehe hält in Deutschland im Schnitt 14,8 Jahre. Nicht gerade lang, auf die Lebenszeit gesehen. Und doch ist die Hoffnung auf die wahre, ewige Liebe groß. Paarberater Ralf Grabowski verrät, wie wir in Beziehungen langfristig glücklich bleiben.
Darauf gibt es keine universal gültige Antwort. Ich glaube, es braucht Freiheit. Wer öfter sein eigenes Ding macht, kann den anderen auch wieder neu erleben und für ihn interessant bleiben. Jeder sollte aus sich selbst heraus ein glückliches Leben führen – die Partnerschaft kann dann das Sahnehäubchen sein. Ein weiteres zentrales Geheimnis von langjährigen Beziehungen ist in meinen Augen, kein Rechthaber zu sein. Man muss Kompromisse eingehen, Bedürfnisse abwägen und flexibel bleiben. Eine gewisse Gelassenheit und Nachsicht ist genauso angebracht, damit sich Paare nicht an Kleinigkeiten wie liegen gelassenen Socken oder der berühmten offenen Zahnpastatube aufreiben, sondern über solche Dinge hinwegsehen können. Schließlich hat jeder so seine Eigenarten oder Angewohnheiten.
Im Kontakt miteinander zu bleiben ist eine wichtige Zutat für eine gelingende Beziehung. Wichtig ist deshalb eine möglichst große Offenheit dem anderen gegenüber. Paare sollten lernen, sich über die individuellen Vorstellungen, Ärgernisse und Wünsche auszutauschen. Dazu gehört Selbstreflexion, denn nur wer seine eigenen Bedürfnisse wahrnimmt, kann sie auch kommunizieren. Unangenehme Dinge auszusprechen und Konflikte zu bewältigen, kann man lernen – zum Beispiel durch Bücher, Podcasts, (Online-)Kurse oder eine Paarberatung. Man muss nicht einer Meinung sein, aber sollte zu seinen Ansichten stehen und offen für die des anderen sein. Kritik und Unterschiede zwischen den Partnern auszuhalten, fällt oft schwer. Doch wir sollten uns bewusst machen, dass je nach Lebensphase auch mal völlig unterschiedliche Bedürfnisse aufeinanderprallen und dass es zu Meinungsverschiedenheiten kommt – wir sollten trotzdem im Gespräch bleiben, um die Verbundenheit nicht zu verlieren.
Unsere Erwartungen an die Liebe sind sehr überfrachtet. In vielen Köpfen herrscht der Glaube an die ewige romantische Liebe vor, die immer schön, aufregend und rundum erfüllend sein muss. Es wird ja immer wieder suggeriert, dass es den Einen gibt, mit dem man immer glücklich ist. Wenn das dann nicht so ist, wird oft zu schnell aufgegeben und nach etwas Neuem gesucht, statt gemeinsam den Weg weiterzugehen und zu schauen, was man verändern kann. Doch wir sollten nicht vergessen: Liebe verändert sich und das ist auch gut so. Es kann nicht immer aufregend und erfüllend sein. Fühlt man sich im Laufe der Zeit unwohl oder gelangweilt, sollte man sich fragen: Was brauche ich gerade? Was hätte ich gern anders? Was kann ich verändern? Wichtig ist, das Gespräch zu suchen.
In der Rushhour des Lebens wird der Stress enorm. Man muss also ganz viel unter einen Hut kriegen – Arbeit, Familie, Haushalt, Freizeit, Partnerschaft, das eigene Leben –, doch unsere Energie und Zeit sind endlich. Gerade wenn Kinder kommen und sich das Gefüge zwischen Beruf und Familie verändert. Auch wenn Kinder ausziehen und das Paar auf sich zurückgeworfen wird, kann eine jahrelange Vernachlässigung der Partnerschaft sichtbar werden. Deshalb ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass es solche Phasen und Schwierigkeiten geben kann. Gerade Eltern sollten sich bewusst Auszeiten nehmen, in denen sie ganz Paar sein können und nicht als Mama und Papa agieren.
Zu mir kommen (lacht). Je früher ein Paar zur Beratung kommt, desto besser. Dann ist es ein kurzer Prozess mit wenigen Sitzungen, oft auch in längeren Abständen. Die richtigen Impulse von außen können schon viel bewirken. Wenn Konflikte den Alltag beherrschen, geht es oft um alte Kränkungen und tieferliegende Verletzungen. Oft geht es auch um Dinge, die man aus der eigenen Vergangenheit mitbringt. Da braucht es viel Selbstreflexion, damit man nicht dem Trugschluss erliegt, der andere wäre einfach der falsche Partner. Denn viele Muster nimmt man automatisch mit in die nächste Beziehung, wo sie früher oder später wieder zum Hindernis werden können. Man kann es auch philosophisch sehen: Gerade wenn man denkt, der andere sei der oder die Falsche, kann das Gegenteil zutreffend sein. Vielleicht ist der andere genau der Richtige, um selbst etwas zu lernen und über sich hinauszuwachsen.
Erfrischend, ehrlich, erkenntnisreich: Im Podcast „Paaradox“ geben Oskar und Claudia Clasen-Holzberg Einblick in ihre über 30-jährige Erfahrung als Eheberater und Ehepaar.
Überall verfügbar, wo es Podcasts gibt.
Liebe beschränkt sich nicht ausschließlich auf die Partnerschaft. Auch eine Freundschaft kann uns Vertrauen, Rückhalt und Respekt bieten, die uns stärken, motivieren und festigen. Voraussetzung dabei ist Ehrlichkeit und Verlässlichkeit, denn nur so bleiben wir authentisch und haben die Freiheit, uns so zu zeigen, wie wir sind. Dann ist es auch möglich, durch gute Freunde das Glücksgefühl enorm zu steigern, ohne dabei verliebt zu sein.
Nicht nur in der Liebe, sondern auch im Beruf ist Zusammenhalt wichtig und macht vieles einfacher. Ein gutes Klima in Büro oder Werkstatt ist oft der Grundstein für erfolgreiches Arbeiten und stärkt das eigene Wohlbefinden. Denn oftmals sind es die Kollegen, mit denen man täglich die meiste Zeit am Stück verbringt. Warum dann also nicht das Beste daraus machen? Gerade im Beruf trifft man auf Menschen, die einen ähnlichen Werdegang mit gleichen Interessen haben. Darauf kann man aufbauen! Aber Achtung: Gute Zusammenarbeit bedeutet nicht automatisch Freundschaft. Das gilt vor allem bei unterschiedlichen Hierarchien. Mehr als ein gutes Arbeitsklima dürfen Sie nicht fordern und müssen sie auch nicht gewährleisten. Alles weitere bleibt freiwillig.
Offenheit ist das A und O. Schon ein Lächeln oder ein nettes Wort können Wunder bewirken. Gerade bei neuen Kollegen sollten Sie besonders auf Ihren Ton achten, denn diese kennen Ihre Art noch nicht und könnten daher die Situation falsch interpretieren. Auch Humor ist unterschiedlich und zunächst mit Vorsicht zu genießen.
Bieten Sie Hilfe an. Wer nicht nur an sich denkt, sondern bereit ist, auch etwas für andere zu tun, schafft Vertrauen und findet Verlässlichkeit, wenn er selbst Unterstützung braucht. Dies sollte sich aber im Rahmen halten, damit sich niemand ausgenutzt fühlt.
Zeigen Sie Interesse und stellen Sie gezielt Fragen. Nur so ist es möglich, Gemeinsamkeiten zu entdecken und den anderen richtig einzuschätzen. Setzen Sie aber auch bewusst Grenzen, indem Sie bestimmte Themen nicht mit den Kollegen besprechen und sprechen Sie im Gegenzug offen an, falls Ihnen die Offenheit des anderen unangenehm wird.
Üben Sie ausschließlich konstruktive Kritik und setzen Sie sichmauch mit den Vorschlägen anderer zu Ihrer eigenen Person auseinander. Dabei sollte immer nur die Verbesserung auf Berufsebene im Fokus stehen, nicht die persönlichen Gefühle dem anderen gegenüber. Sollten Sie einen Lieblingskollegen haben, ist es wichtig, auch die anderen trotzdem einzubeziehen. Sonst kann es zu erhöhtem Konkurrenzverhalten führen und Ihre Objektivität beeinträchtigen.
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